Matussek, Matthias:Die vaterlose Gesellschaft
- Livres de poche 1998, ISBN: 9783499605970
[ED: Taschenbuch], [PU: Rowohlt Taschenbuch], Nach der überwältigenden Resonanz auf seinen Artikel "Die vaterlose Gesellschaft" im "Spiegel" vom 17.11.1997 hat der Verfasser jetzt dieses … Plus…
[ED: Taschenbuch], [PU: Rowohlt Taschenbuch], Nach der überwältigenden Resonanz auf seinen Artikel "Die vaterlose Gesellschaft" im "Spiegel" vom 17.11.1997 hat der Verfasser jetzt dieses Buch gleichen Titels vorgelegt. Er hatte Hunderte von Briefen, Lebensgeschichten, Tagebüchern und Gerichtsprotokollen und zahllose Anrufe erhalten, nicht nur von Männern, sondern auch von vielen Frauen. Ihnen gemeinsam war der Tenor: "Endlich, endlich schreibt einer darüber."
Das Buch ist polemisch und drastisch geschrieben. Aber auch solche Veröffentlichungen brauchen wir. Mit ihnen wird ein politisch brisantes, weil als politisch inkorrekt geltendes Thema aufgegriffen: der Skandal des deutschen Familienrechts. Vor gut 20 Jahren als sozialliberale Jahrhundert-Reform gefeiert, hat es "sich als eine Art Höllenmaschine erwiesen. Es hat die Zeitehe eingeführt und Scheidung zur weiblichen Erwerbsquelle gemacht. Es hat zu Egoismus verführt und damit Familien zerstört, Väter entrechtet, Tücke belohnt, Güte bestraft und damit buchstäblich das Schlechteste aus Männern und Frauen herausgeholt."
Es wäre naiv anzunehmen, das neue Kindschaftsrechtsreformgesetz würde an der grundsätzlichen Situation etwas ändern. Der Verfasser berichtet von Frauenverbänden, die schon heute dazu aufrufen, das Reformgesetz durch systematische Beantragung des alleinigen Sorgerechts zu unterlaufen, und die Leitfäden zur Umgangsvereitelung in Umlauf bringen.
Matusseks Fazit: Es reicht! Das Buch ist ein Aufruf zum Widerstand und zum politischen Engagement, zur Verweigerung gegenüber der bestehenden Rechtsprechung, dazu, daß Männer endlich aufwachen aus Trauer, Resignation, Verzweiflung und Lethargie. Einige Zitate mögen für sich sprechen:
Männer haben geduldet, daß sie "mit Falschbeschuldigungen wegen sexueller Belästigung besudelt, als Vergewaltiger oder eheliche Gewalttäter vor Gericht gezogen und sozial ruiniert wurden. ... die Urheberinnen dieser zynischen Hexenjagden sind nie zur Verantwortung gezogen worden. Es reicht.
Jahrzehnte haben Männer Gesetze verabschiedet, die Frauen förderten und bevorzugten und ihnen im Familienbereich eine schier grenzenlose Macht über Kind und Geld einräumten - und erleben nun ihren Mißbrauch. Es reicht."
"Teenager, die mit alleinerziehenden Müttern aufwachsen, sind 5mal mehr suizidgefährdet, 14mal mehr potentielle Vergewaltiger, 10mal mehr drogensüchtig, 20mal mehr gefährdet, im Gefängnis zu landen. Das Gerede über die angeblich sanftere Frauenmacht hat sich katastrophal widerlegt, auch politisch."
"Frauen können bei der geringsten Frustration ungefährdet Ehen preisgeben, Familien zerstören, Männer als Sexualstraftäter diffamieren, ihnen die Kinder rauben und sie zu rechtlosen Arbeitsdrohnen machen. ... 'Die Dimension solchen staatlich verordneten Leidens erreicht tragisches Ausmaß', resümiert kritisch Familienrichter Harald Schütz."
In der bisherigen Debatte um Umgangsvereitelung ist ausschließlich vom Schaden die Rede gewesen, den die Kinder dabei nehmen. Aber nicht nur Kinder nehmen Schaden, die ohne ihre Väter aufwachsen; auch Väter nehmen Schaden, die von ihren Kindern ferngehalten werden. Matussek berichtet von der Arbeit der Freiburger Familienforscherin und Mediatorin Ursula Kodjoe, die ermittelt hat, daß in 96% der von ihr untersuchten Fälle die Väter mit zum Teil schweren seelischen und psychosomatischen Erkrankungen auf die Ausgrenzung reagierten. Die verantwortlichen Mütter wissen: Väter lieben ihre Kinder und Kontaktverbote machen sie krank. Sie treffen die Väter an ihrer empfindlichsten Stelle.
Viele Anwälte raten Vätern, gar nicht erst zu kämpfen: "Väter verlieren vor Gericht fast immer. Doch selbst wenn sie dort gewinnen sollten, sorgt ein schleppender Vollzug und eine weibliche Jugend-Bürokratie dafür, daß sie doch verlieren."
Matussek entlarvt die "Lügenarchitekturen" des Familienrechts: die Unterhaltslüge, die Helferlüge, die Gerechtigkeitslüge, die Gewaltlüge und die Mißbrauchslüge.
Wahrhaft revolutionär muten die politischen Forderungen im "Kampfbrevier" bezeichneten Kapitel des Buches an. Sie laufen auf radikale Änderungen der Rechtsprechung hinaus: durchgreifende Maßnahmen zum Erhalt der Elternverantwortung und der Eltern-Kind-Kontakte und eine deutliche Stärkung der wirtschaftlichen Eigenverantwortlichkeit bei Trennung und Scheidung. Matussek ist sich darüber im klaren, "daß es zu Radikalisierungen der Väterszene kommen wird. Sie werden Ämter besetzen, und sicher wird es vermehrt zu Verzweiflungstaten kommen. ... Doch selbst das bestehende Recht könnte, wenn es ernst genommen würde Unrecht verhindern."
Sein Spiegel-Artikel hat eine Lawine ausgelöst, die anders als die bisherigen Aktivitäten der als "Betroffene" verspotteten Väterszene so rasch nicht zur Ruhe zu kommen scheint. Unter anderem hat sich eine "Deutsche Väterpartei" gebildet, die zur Bundestagswahl antreten will.
Man kann dem Buch nur viele Leser wünschen - Politiker, Juristen, Scheidungsbegleiter, Gutachter, vor allem aber Männer und Frauen, Väter und Mütter, die bereit sind, sich gegen das herrschende Unrecht aufzulehnen und für Männer einzufordern, was vor Jahrzehnten die feministische Bewegung für Frauen verlangte: wahre Gleichberechtigung. Die Kinder werden es ihnen dereinst danken.
Sigrid Chamberlain: Adolf Hitler, die deutsche Mutter und ihr erstes Kind. Über zwei NS-Erziehungsbücher. Psychosozial-Verlag, Gießen, 1997
Besprechung von Jürgen Müller-Hohagen
Erschienen in: Psyche. Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen. Klett-Cotta, Stuttgart, 53. Jg., 1999, S. 1200-1202
Ein Kind kommt zur Welt – wie wird es aufgenommen?
Die folgenden beiden Umgangsweisen stehen einander diametral gegenüber. Die erste bewegt sich auf dieser Linie:
„Ist Hilfe im Haus, die sich um das Neugeborene kümmern kann, und ist genügend Platz vorhanden, so raten wir ganz unbedingt dazu, es von der Mutter getrennt unterzubringen und es ihr nur zum Stillen zu reichen. Der Mutter wird auf diese Weise nicht nur viel Beunruhigung erspart – sie horcht nur zu gern ängstlich auf jede Lebensäußerung des kleinen Wesens und sorgt sich unnötig darum -, sondern auch für das Kind ist ein eigener Raum von großem Vorteil“ (S.23).
Das andere Modell läßt sich etwa wie folgt beschreiben:
„Wenn eine Frau in der Klinik kurz vor der Entbindung steht, versammeln sich … ihre Familienangehörigen vor dem Kreißsaal. Ist das Kind geboren, so wird es innerhalb seiner ersten fünf Lebensminuten von den Eltern, den Großeltern und durchschnittlich noch weiteren fünf Verwandten geküßt … Nach sechs Wochen (waren) aus 80 Prozent der Haushalte der 1500 Einwohner zählenden Stadt Besucher in das Haus des Neugeborenen gekommen, um zu gratulieren“ (S. 28f).
Wenn Sigrid Chamberlain, die Autorin des hier besprochenen Buches, ein Beispiel wie das letztere zitiert, so soll damit nicht etwa italienische (traditionelle) Lebensweise idealisiert werden, sondern es können kulturelle Normen und Praktiken des eigenen Landes, in diesem Falle Deutschlands, eher wahrgenommen werden. Und von hier stammt das erstgenannte Zitat, aus einem Buch, das erstmals 1934 erschien, für das es 1945 aber keine „Stunde Null“ gab, vielmehr wurde es bis 1988 kontinuierlich weiter verkauft – in einer Bestseller-Gesamtauflage von mehr als 1,2 Millionen. Es handelt sich um das Ratgeberbuch von Dr. med. Johanna Haarer, dessen Titel bis 1945 „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ lautete, anschließend „Die Mutter und ihr erstes Kind“. Das Verdienst, erstmals darauf aufmerksam gemacht und eine kritische Analyse vorgelegt zu haben, kommt der Kinderpsychoanalytikerin Ute Benz zu (Dachauer Hefte Nr. 4, 1988).
Und nun hat die Sozialpädagogin und Diplom-Supervisorin Sigrid Chamberlain eine eingehende Untersuchung über Haarers Buch publiziert. Diese Analyse sei dringend zur Rezeption empfohlen. Gründe dafür sind vor allem folgende:
1. Chamberlain vermittelt allein schon aufgrund ihrer kompetenten Auswahl von Zitaten einen umfassenden Einblick in Haarers erste Veröffentlichung sowie auch in das 1936 herausgekommene Fortsetzungsbuch „Unsere kleinen Kinder“, das ebenfalls nach 1945 weitere Auflagen hatte (beide Bücher in der Werbung immer wieder als „vollständig neu bearbeitet“ angegeben). Darüber hinaus zitiert sie aus „Mutter, erzähl von Adolf Hitler!“ von 1939 – dem einzigen Haarer-Buch, das unter demokratischen Verhältnissen nicht mehr veröffentlicht wurde.
2. Aus Haarers Büchern ließe sich eine Abfolge krasser Sätze der braunen Pädagogik zusammenstellen. Doch damit verlöre man leicht aus dem Blick, daß diese eingefügt sind in einen zunächst ganz anders wirkenden Kontext, nämlich konzentriert auf die konkreten Hilfestellungen für die junge Mutter, voll der Beteuerungen, ausschließlich die Besorgnis um deren Wohl und um ein möglichst ungestörtes Gedeihen des Kindes sei Maßstab der Darlegungen. Man möge sich einmal umschauen in deutschen Bücherregalen nach einem der dort noch reichlich vorhandenen Exemplare und sich der spezifischen Atmosphäre dieses Bestsellers aussetzen und dabei sich vorstellen, es aus der Perspektive einer werdenden oder jungen Mutter (oder, dort kaum berücksichtigt, eines Vaters) zu lesen in all der damit verbundenen Unsicherheit. Der Rezensent jedenfalls kann dies aus eigener Erfahrung nur empfehlen, nachdem er vor Jahren eine Ausgabe von vor 1945 wie auch eine von 1960 studierte. Ich merkte, welche Mühe es bereitete, mich der Überzeugungskraft dieser „medizinischen Autorität“ zu entziehen.
An jene Erfahrung habe ich mich erinnert beim Lesen von Sigrid Chamberlains Buch, habe die große Distanzierungsarbeit noch mehr ermessen können, dank welcher sie, die selber nach Haarer-Maximen „Erzogene“, zu ihren Analysen gekommen ist. Was sie unternimmt, ist ein Ausleuchten im Sinne distanzschaffender Auseinandersetzung, gerade nicht aber ein vorschnelles Distanzieren im Ton bloßer Entrüstung oder oberflächlichen Besserwissens. Damit nämlich wären die Fallstricke des Haarer-Buches nur unzureichend zu erkennen.
3. Den wichtigsten Rückhalt für Chamberlains Untersuchungen bilden Erkenntnisse der psychoanalytischen Säuglingsforschung und der Bindungsforschung, also die neueren Erkenntnisse zur Entwicklung der Interpersonalität (besonders D. Stern; Klaus und Kennell; Dornes). Diese Einsichten werden den Anweisungen des Haarer-Buches gegenübergestellt. Das erzeugt Spannungslinien von großem Erkenntniswert.
4. Chamberlain hat sich nicht nur auf die Analyse des geschriebenen Wortes beschränkt, sondern sie ist seinen Langzeitwirkungen nachgegangen, indem sie Interviews mit Menschen geführt hat, die nach den Haarer-Büchern erzogen wurden. Davon gibt es viele. „Wenn ich mit Menschen meines Alters (Jahrgang 1941 plus/minus zehn Jahre) ins Gespräch über die Erziehungspraktiken in ihrer Herkunftsfamilie komme, so fällt sehr häufig der Name Haarer“ (S. 8). Aussagen aus diesen Interviews wie auch aus einigen autobiographischen Berichten belegen die massiven Prägungen, die von Haarers Anleitungen ausgegangen sind. Beim Lesen entsteht allmählich ein Eindruck von den tatsächlichen Dimensionen jener Pädagogik. „Es war doch nur ein Buch“, solches Beiseiteschieben gelingt dann immer weniger.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das Nachwort des Historikers Gregor Dill. Hier wird erläutert, daß Haarers Pädagogik keineswegs bloß die einer bis dahin unbekannten jungen Ärztin war, sondern daß sie wie auch ihr Einsatz in den massenhaften Schulungen junger Mütter einen präzise kalkulierten Baustein der nationalsozialistischen Erziehungspolitik bildete.
5. Chamberlain geht umfassend den zentralen Themen kindlicher und familiärer Entwicklung nach. „Krieg gleich zu Beginn des Lebens“, so lautet die Überschrift des ersten Kapitels, in dem sie die bei Haarer sofort nach Geburt einsetzende „Erziehung“ thematisiert. „Wie die Mutter sich das Kind vom Leib hält“ – „Mangelnder Halt und Grenzenlosigkeit“ – „Das verweigerte Antlitz“ – „Die Zerstörung des Dialogs“, in diesen Kapiteln wie in dem Buch insgesamt belegt Chamberlain in großer Klarheit den zentralen Befund ihrer langjährigen Untersuchungen, nämlich wie sehr trotz mancher Überschneidungen die nationalsozialistische von sonstiger autoritärer Erziehung verschieden war. Damit von ersterer gesprochen werden kann, muß „noch ein Aspekt hinzukommen: Es ist der, daß eine nationalsozialistische Erziehung immer auch eine Erziehung durch Bindungslosigkeit zu Bindungsunfähigkeit ist. Dieses halte ich für entscheidend, und es ist bisher weitgehend unbeachtet geblieben“ (S. 11).
Erziehung durch Bindungslosigkeit zu Bindungsunfähigkeit wurde unter dem Nationalsozialismus systematisch und wirkungsvoll geplant und in die Praxis umgesetzt. Daß vieles davon bis heute weiterwirkt, machen Chamberlains Analysen in dankenswerter Klarheit sichtbar. Damit ist ihr Buch von größtem Wert auch für die analytische und therapeutische Arbeit.
Im Falle einer Beschädigung oder bei Verlust der Ware auf dem Postweg greift unser Bookloocker Käuferschutzprogramm, wenn Sie bei einem Privatverkäufer bestellt haben, der (anders als ein gewerblicher Händler) für einen solchen Schaden nicht haftet., DE, [SC: 3.90], wie neu, privates Angebot, 288, Banküberweisung, [CT: Soziologie / Geschlechter/Gender Studies]<